Bank und Darlehensnehmer schlossen im Jahr 2004 einen Verbraucherdarlehensvertrag in Höhe von 175.000 Euro, mit einem Zins bis zum 30.11.2019 von 5,2 Prozent.
Im Februar 2009 sind die Kläger an die Beklagte mit dem Wunsch einer Vertragsablösung zur Optimierung der Zahlungsbedingungen herangetreten. Ende 2009 / Anfang 2010 erfolgte die Kündigung durch den Kläger. Die Vorfälligkeitsentschädigung betrug zu diesem Zeitpunkt 19.500 Euro. Am 15.10.2014 erfolgte der Widerruf des Darlehensvertrags. Das Darlehen wurde von den Klägern vollständig abgelöst.
Die Kläger verlangten auf Basis eines wirksamen Widerrufes die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Sparkasse Siegen wies das zurück. Die Widerrufsbelehrung entspräche dem seinerzeitigen Muster, zudem sei der Widerruf verwirkt.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, die beklagte Bank legte Berufung vor dem OLG ein. Hier kam man zu dem Schluss: Der Widerruf als solcher sei berechtigt gewesen, da die Widerrufsbelehrung der Beklagten fehlerhaft war. Unter anderem enthielte sie die unzulässige Formulierung „frühestens“ und die Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Auch käme die Schutzwirkung der Musterbelehrung nicht in Betracht.
Sehr nachdenklich hat der Senat die Frage der möglichen Verwirkung erörtert. Im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des BGH habe der Senat zwar eine Verwirkung nie ausgeschlossen, diese aber stets zurückhaltend angewendet. Dies müsse in Anbetracht neuer BGH-Entscheidungen (Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 und Urteil vom 11.10.2016 – XI ZR 482/15) möglicherweise überdacht werden.
Der erkennende Senat legte die Entscheidungen des BGH dahingehend aus, dass das Vertrauen eines Unternehmers auf Unterbleiben des Widerrufs auch dann schutzwürdig sein kann, wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Dies dann, wenn eine große Zeitspanne seit Vertragsschluss vergangen sei und die Vertragsauflösung seitens der Kunden begehrt wurde und der Vertrag darüber hinaus beendet ist. Insofern nahm der Senat auch die abgeänderte Kommentierung (Verwirkung idR nur bei beendeten Verträgen) des RiBGH Grüneberg im Palandt diesbezüglich zur Kenntnis: „Der BGH ist dabei, seine Kriterien aufzuweichen.“
Wenngleich das OLG weiterhin keine Zeitspanne für das Zeitmoment festlegen wolle – anders als das OLG Schleswig – sei die vorliegend verstrichene Zeit von zehn Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerruf ausreichend, um das Zeitmoment zu bejahen.
Zum Umstandsmoment führte der Senat aus, der Vertrag sei beendet gewesen und zwar schon vier Jahre vor dem Widerruf. Auch haben die Kunden die Auflösung des Vertrags begehrt. Eine Nachbelehrung durch die Beklagte sei nach Beendigung des Vertrags nicht mehr sinnvoll machbar gewesen – es seien keine belastenden Rechtsfolgen mehr für die Kläger ersichtlich gewesen.
Andererseits sei zu beraten, ob die Ausführungen der Sparkasse, sie habe keine Rücklagen gebildet und die Sicherungsmittel seien freigegeben worden, ausreichen können, um ein schutzwürdiges Vertrauen herleiten zu können. Möglicherweise handele es sich hierbei nur um zu allgemeine Angaben zur gängigen Praxis.
Die Nutzungsentschädigung bezüglich der Vorfälligkeitsentschädigung sei anders als vom LG angenommen mit 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszins zu verzinsen.
Für die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sieht der Senat keine erfüllte Anspruchsgrundlage. Bei §280 I BGB fehle es an der nötigen haftungsausfüllenden Kausalität.
Auf Vorschlag des Senats schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte zahlt an die Kläger 6500 Euro der Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Ebenso pauschal 500 Euro für Nebenforderungen.
2. Alle sonstigen auf dem Rechtsverhältnis beruhenden möglichen Ansprüche sind erloschen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 2/3.
4. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
5. Widerrufsvorbehalt: Drei Wochen
6. Stillschweigensvereinbarung.
Rechtsanwalt Ralf Buerger, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht: „Der erhoffte Sieg vor dem OLG blieb für die Sparkasse Siegen zum Verbraucherglück aus. Der ausgehandelte Vergleich entspricht zwar nicht dem verbraucherorientierten Spruch des Landgerichtes, gewährt dem Darlehensnehmer aber trotzdem eine angemessene Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung!“