Wann ein Widerruf möglich ist und wann nicht, das steht in keinem Buch und wird auch von keinem Gesetz definiert. Da kommt den Gerichten in der aktuellen Situation bei der Beilegung von Streitfällen zwischen Verbrauchern und Banken höchste Bedeutung zu. In einem aktuell vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelten Berufungsfall ging es z.B. um die Klärung einer Begrifflichkeit: „Was ist denn im juristischen Sinn eine ‚Vertragsurkunde‘ und löst die Übergabe einer Kopie die Widerrufsfrist aus?
Ein Darlehensnehmer sah das grundsätzlich anders als die Deutsche Bank Bauspar AG und akzeptierte die Abweisung eines Widerrufes nicht. Man traf sich vor dem OLG, um die Sache zu klären.
Die Parteien schlossen am 27.07.2008 einen Darlehensvertrag in Höhe von 70.000 Euro. Nach den Gepflogenheiten der Beklagten bekam die Klägerin zunächst ein Blanko-Vertragsformular für ihre Unterlagen. Ein weiteres Formular erhielt die Klägerin zur Unterschrift. Dieses sandte sie der Beklagten zu, damit die Beklagte es ebenfalls unterschreiben konnte. Den Originalvertrag behielt die Deutsche Bank Bauspar AG und übermittelte der Klägerin eine Kopie des Vertrags. Im November 2014 widerrief die Klägerin den Darlehensvertrag.
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit des Widerrufs. Streitig war im Wesentlichen was genau die Vertragsurkunde im Sinne des §355 II 2 BGB a.F. bzw. der Widerrufsbelehrung war.
Rechtsanwalt Ralf Buerger, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Hamm:“ Das Gericht hält den Begriff ‚Vertragsurkunde‘ tendenziell für missverständlich und kritisiert an den Gepflogenheiten der Bank, dass der Anlauf der Frist nicht klar definiert ist. Schon das Blanko-Formular wird in der Kommunikation mit dem Kunden als ‚Vertrag‘ bezeichnet.“
Alles in allem: Der Senat empfiehlt einen Vergleich, da das Verfahren wohl nicht im Sinne der Bank ausgehen würde. Das Darlehen in Höhe von 70.000 Euro wird komplett zurückgezahlt und die Beklagte verzichtet auf die Vorfälligkeitsentschädigung.
OLG Hamm, I-19 U 16/16 vom 28.10.2016