Wegen eines fehlerhaften Gutachtens einer vom Jugendamt beauftragten Sachverständigen wurde einem Paar das Sorgerecht für seine zwei 7 und 18 Monate alten Kinder vom Familiengericht entzogen. Über ein halbes Jahr waren die Kinder schon in einer Pflegefamilie untergebracht, als weitere Gutachten zu dem Schluss kamen, dass es sich bei der vermeintlichen Kindesmisshandlung, von der das erste Gutachten zu berichten wusste, um die Folgen einer Erbkrankheit handele.
Die Eltern konnten daraufhin vor dem Landgericht Mainz Schmerzensgeld von der Verfasserin des fehlerhaften Gutachtens erstreiten. Die Rechtsmedizinerin sollte für das grob fehlerhafte und wissenschaftlichen Standards nicht entsprechende Gutachten persönlich haften.
Sie ging jedoch sofort in Berufung, da sie weiterhin der Ansicht war, dass sie weder vorsätzlich noch fahrlässig eine Fehleinschätzung vorgenommen habe und für etwaige Fehler des im Auftrag des Jugendamts erstellten Gutachtens daher nicht persönlich hafte.
Doch auch das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil, Az. 1 U 832/15) bekräftigte, dass die beklagte Sachverständige ein durch grobe Fahrlässigkeit unrichtiges Gutachten erstellt habe.
In der Urteilsbegründung heißt es, dass die Gutachterin mögliche Alternativursachen für die bei den Kindern festgestellten Auffälligkeiten, wie den erblich bedingten sogenannten „Wasserkopf“ und einen vorausgegangenen Verkehrsunfall kategorisch und ohne Vorbehalt ausgeschlossen und sich zudem mit einer Unfallanalyse fachfremde Kompetenzen angemaßt habe. Damit habe sie ihre gutachterliche Sorgfaltspflicht grob verletzt. Die Haftung für diesen Fehler bürdete das Oberlandesgericht allerdings dem Landkreis, als Träger des die Sachverständige beauftragenden Jugendamtes auf.
Rechtsanwalt Dreier, Fachanwalt für Familienrecht bei „Buerger“ in Hagen: „Die Rechtsmedizinerin hat beim Erstellen ihres Gutachtens ein öffentliches Amt ausgeübt, da das Jugendamt sie im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags als externe Fachkraft hinzugezogen und sich bei seinem vor dem Familiengericht gestellten Schutzantrag auf deren Gutachten gestützt hat. Deshalb haftet für das unrichtige, grob fahrlässig erstellte Gutachten, das letztendlich ausschlaggebend für die erzwungene Trennung der Eltern von ihren Kindern war, die Körperschaft, die den Auftrag gegeben hatte, nicht aber die Beauftragte selbst.“