Das Erbscheinsverfahren, § 2353 BGB - Vorlage einer Sterbeurkunde „nur für Rentenzwecke“ beim Nachlassgericht.

Die Vorlage einer Sterbeurkunde „nur für Rentenzwecke“ beim Nachlassgericht im Rahmen des Erbscheinsverfahrens gem. § 2353 BGB.

Welche Beweiswirkung hat eine solche Urkunde mit dem eingeschränkten Geltungsvermerk?

 

A. Normen und Sachverhalt

 

Gem. § 352 FamFG gilt (hier ausschnittweise):

„Angaben im Antrag auf Erteilung eines Erbscheins; Nachweis der Richtigkeit

(1) Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat anzugeben

1. den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,

..........

(3) Der Antragsteller hat die Richtigkeit der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 .... durch öffentliche Urkunden nachzuweisen .....“

 

Dem Nachlassgericht muss danach zum Nachweis des Versterbens im Rahmen des Erbscheinsverfahrens eine Sterbeurkunde (öffentliche Urkunde) vorgelegt werden. 

Reicht hierfür die Vorlage einer Sterbeurkunde, die allerdings den Vermerk „nur für Rentenzwecke“ beinhaltet? 

Wäre das Nachlassgericht berechtigt die Vorlage einer Sterbeurkunde ohne einen solchen Zusatz zu verlangen?

 

B. Rechtsgrundlage für das Aufbringen des Vermerks „nur für Rentenzwecke“? Schränkt dieser Vermerk die Beweiskraft der Urkunde ein? Position der Literatur und Rechtsprechung.

 

I.  Kostenrechtlicher Hintergrund

Das Aufbringen des Vermerks „nur für Rentenzwecke“ hat lediglich einen kostenrechtlichen Hintergrund. 

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) vom 29.3.2010 (GMBl. S. 498), die von der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 GG erlassen

wurde, enthält Vorschriften zur Kostenfreiheit der Ausstellung von Personenstandsurkunden.

 

Punkt A 9 der PStG-VwV regelt folgendes:

„Kostenfreiheit

A 9.1 Kostenfreiheit nach Bundes- oder Landesrecht

Kostenfrei sind Personenstandsurkunden, für die auf Grund von Bundes- oder Landesrecht Kostenfreiheit vorgeschrieben ist (z.B. für Zwecke der gesetzlichen Kranken- ....... und Rentenversicherung, .......).“

 

Gem. § 64 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB X sind solche Urkunden von Beurkundungs- und Beglaubigungskosten befreit, die in der Sozialversicherung bei den Versicherungsträgern und Versicherungsbehörden erforderlich werden, um die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherungsträgern einerseits und den Arbeitgebern, Versicherten oder ihren Hinterbliebenen andererseits abzuwickeln. Diese Regelung ordnet auch die Gebührenfreiheit der Erteilung von Sterbeurkunden u. a. für Rentenzwecke an.

 

II. Keine Einschränkung des Verwendungszwecks

Allein die Regelung der Kostenfreiheit solcher Urkunden führt aber nicht dazu, dass die Verwendung der auf dieser Grundlage als Nachweis für den Tod der bezeichneten Person erteilten Sterbeurkunde auf den eingeschränkten Verwendungszweck (hier Rentenzwecke) beschränkt wird. Unabhängig vom konkreten Verwendungszweck und dem Umstand, ob sie kostenfrei erteilt wurde, beweist die Urkunde dieselbe Tatsache, nämlich den Tod der darin bezeichneten Person.

So auch das OLG Nürnberg (BeckRS 2019, 17470) „Die einer Personenstandsurkunde i. S. d. § 55 Abs. 1 PStG zukommende Beweiskraft wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie gem. § 64 Abs. 2 S. 3 SGB X gebührenfrei erteilt wurde.“ Dort ging es um die Vorlage einer Sterbeurkunde beim Grundbuchamt zum Nachweis des Erlöschens eines Nießbrauchs gem. § 1061 S. 1 BGB wegen des Versterbens des Berechtigten., Die Urkunde war vom Standesamt mit dem Vermerk „Nur für Rente – gebührenfrei –“ versehen worden. Das OLG Nürnberg hielt die nur für Rentenzwecke (gebührenfrei) erteilte Sterbeurkunde für einen tauglichen Urkundennachweis i. S. v. § 29 GBO.

Aus der Grundbuchordnung ergebe sich nicht, dass das Grundbuchamt die Gebühreninteressen des Standesamts zu wahren habe und deshalb gebührenfrei erteilte Sterbeurkunden zurück weisen müsse.

Der vom OLG Nürnberg entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden (Vorlage der Sterbeurkunde im Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht) vergleichbar. Daher hat auch die rechtliche Würdigung gleich auszufallen. 

 

III. Vergleich mit Vorlage eines kostenrechtlich privilegierten Erbscheins nach

§ 107 Abs. 3 KostO a. F.

Analog wurden die Fälle mit der Vorlage eines kostenrechtlich privilegierten Erbscheins nach § 107 Abs. 3 KostO a. F beurteilt. Auch hier wurde von der h. M. vertreten, dass auch ein „beschränkter“ Erbschein (mit dem Vermerk „nur für Grundbuchzwecke“) die volle Beweiswirkung hinsichtlich der Erbfolge entfalte (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 10; BeckOKGBO/Wilsch, Std.: 15.12.2019, § 35 Rn. 34; Schaub, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl . 2018, § 35 Rn. 110; abweichend KEHE/Volmer, Grundbuchrecht, 8. Aufl .2019, § 35 GBO Rn. 53). 

Das OLG Frankfurt (NJWRR1994, 10) hob hervor, dass der kostenrechtlich privilegiert erteilte Erbschein ungeachtet des auf ihm angebrachten Vermerks, wonach er nur für Grundbuchzwecke erteilt worden ist und verwendet werden darf, einen Vollerbschein i. S. d. § 2353 BGB darstelle.

Die Möglichkeit eines kostenrechtlich privilegierten Erbscheins bestand für Grundbuchzwecke nach § 107 Abs. 3 KostO a. F. bis zum Inkrafttreten des GNotKG (01.08.2013). 

Die Streichung der Möglichkeit, einen kostenrechtlich privilegierten Erbscheins nur für Grundbuchzwecke zu erteilen, wurde vom Gesetzgeber u. a. mit der „Vereinfachung des Kostenrechts“, aber auch damit begründet, dass die Wertprivilegierung „missbrauchsanfällig“ sei (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 165; BeckOK-GBO/Wilsch, § 35 Rn. 34). Hieraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass der Beweiswert der Urkunde nicht durch den aus Kostengründen angebrachten einschränkenden Verwendungsvermerk beeinträchtigt wird, sondern die Urkunde auch zu anderen Zwecken verwendet werden kann.

 

C. Fazit

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der lediglich aus Kostengründen angebrachte eingeschränkte Geltungsvermerk die Beweiswirkung der Sterbeurkunde als öffentliche Urkunde nicht beeinträchtigt. Eine solche Sterbeurkunde kann daher zum Todesnachweis sowohl im Erbscheinsverfahren als auch im Grundbuchverfahren vorgelegt werden.

 

Ihr Ansprechpartner zum Thema:

Rechts- und Fachanwalt Ralf Buerger, Hagen.

 

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